was bewegt

Stephanie Wochinger, Dagmar Langer


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KUNST berührt uns, sie lässt den Raum FREI für Gedanken zwischen der sichtbaren Welt und einer dahinter liegenden Wirklichkeit, deren Existenz wir meistens nur erahnen können.
Obwohl die moderne Forschung bemüht ist, auch die stille unsichtbare Welt in neuen Studien zu erklären und facettenweise in kleinen Teilversuchen zu belegen, steckt dieses unsichtbare Feld, das wir versuchen mit unserem menschlichen Verstand zu erfassen, oft noch in alten Überzeugungen und Glaubensmustern fest. So werden wir noch eine gewisse zeitliche Strecke benötigen, bis sich der Mensch bewusst wird, welche Möglichkeiten ihm im nicht sichtbaren Raum zur Verfügung stehen.

Die Kunst vermag Teile dieses Universums einzufangen, welche sich unabhängig von Zeit und Raum offenbaren können, sofern man sich darauf einzulassen vermag. Richtet man seine Aufmerksamkeit nur auf das Sichtbare in der Kunst, so wird man dieser nicht im vollen Umfang gerecht. Realität kann auch dort entstehen, wohin und worauf wir unsere bewusste Achtsamkeit und innere Haltung, die Wahrnehmung und das neu Gedachte richten. Energetisches BewusstSEIN, welches uns von Innen heraus verändert, kann im Äußeren sichtbar werden. Jeder Blick auf in der KUNST„Geschaffenes“ erzeugt eine Tiefe, die uns mit unserem Innersten in Verbindung bringt, korrespondiert und hinaus führt in unbegrenzte Möglichkeiten wahrnehmbarer, verbindender, sichtbarer und unsichtbarer Welten.

Dagmar Langers Skulpturen zeigen mir eine Körper-Poetik, die geradezu von außergewöhnlicher Präsenz ist und dennoch DEN Raum der Räume frei lässt, sich in eine eigene Innenschau zu begeben, um dort einen Entwicklungsprozess zu starten, welcher die Vergangenheit und Zukunft zu einem wahrnehmbaren Zwischenraum der JETZT-Zeit verknüpft. Die Kunst in ihrem „alchimistischen“ Prozess zeigt uns Sichtbares und stellt dennoch Unsichtbares dem wachen Betrachter zur Verfügung.

„KEIN KÜNSTLER TRITT AN, UM DIE WELT SO ZU BELASSEN WIE SIE IST. AUCH WENN ER SICH NICHT ANMASSEN MÖCHTE, SIE TATSÄCHLICH VERÄNDERN ZU KÖNNEN, WILL ER DOCH GESTALTEND AUF SIE EINWIRKEN“

Auf den folgenden Seiten habe ich den Versuch unternommen, anhand von Dagmar Langers Keramik-Skulpturen das Sichtbare mit dem dahinter wohnenden Unsichtbaren zu verknüpfen. Es ist ein Versuch im Wort, ein Erahnen an Möglichkeiten zu erschaffen, welcher uns hineinführt in unsere eigenen verborgenen Welten, in denen wir uns individuell weiterentwickeln können.

Stephanie Wochinger 2020


Ein Beitrag von Monika Ziegler https://www.kulturvision-aktuell.de/wort-und-keramik-was-bewegt-dagmar-langer-stephanie-wochinger-2020/

ISBN 978 3-00-065770-5 Bestellung auch bei mir persönlich.





Erde - Feuer - Formentanz

Dagmar Langer


Unbekannt


Auszug aus dem Katalog „Dagmar Langer. Keramische Kunst“.


Archaisch und doch bedingungslos modern
Dr. Chris Gerbing

[…] Es sind zwei Pole, zwischen denen Dagmar Langer scheinbar mühelos oszilliert, indem sie eine Jahrhunderte alte Technik mit der Aktualität der Gegenwart konfrontiert, in der die Oberflächen der Keramiken nicht nur von samtig-weich bis metallisch-hart changieren, sondern sich auch so anfühlen können. Indem sie verschiedene zeitaktuelle Techniken mit einem traditionellen Verfahren zusammenbringt, schafft sie auf diese Weise zeitlos moderne Arbeiten. Bei der Herstellung ihrer Keramiken experimentiert sie mit verschiedenen Reduktionsbrenntechniken vom Kapselbrand bis zu den unterschiedlichen Varianten des Raku-Brands. Vor allem hier ist die Besonderheit keramischen Schaffens auch als Gestaltungsqualität nachvollziehbar, die in ihrer unbeeinflussbaren Veränderung durch das Feuer liegt. Oxidierende oder reduzierende Brenntechniken setzt sie gezielt ein, um die Zufälligkeiten wirken zu lassen. Das Ergebnis sind nicht bzw. nur geringfügig beeinflussbare Farbverläufe, die in diesem Fall aus der Zuführung von Energie und durch das dadurch ausgelöste Anregen von Oxidationsprozessen entstehen.

  1. Raku

Insbesondere die Raku-Technik ist dafür verantwortlich, dass ein gewisses Maß kalkulierter Spontanität in die Arbeiten einfließt, dass der Zufall in jedem Stück seine Hand im Spiel hat. Raku wurde im 16. Jahrhundert in Japan erfunden und ist eng verbunden mit der Tee-Zeremonie, dem rituellen, meditativen Zubereiten und Trinken des Tees, dem reinigende Kräfte zugeschrieben werden. Raku hat zudem seinen Ursprung im ZEN-Buddhismus, der die Lehre vom Leben lehrt, das in seiner ganzen Fülle zu leben sein soll. Aus dieser das gesamte Leben umfassenden Philosophie resultiert auch eine philosophische Haltung gegenüber dem Ton, der jede Form annehmen kann – eine „truly mimetic substance“ bezeichnet ihn daher David Jones.

Raku war in Japan entsprechend eine Zeitlang „weit mehr als nur Handwerk“ – ein Aspekt, der sicher in der Übertragung dieser traditionellen fernöstlichen Herstellungsweise für Gefäße auf die westliche Welt eine wichtige Rolle spielt: „Natürliche Formen, Schlichtheit, Wertschätzung des Unvollkommenen … weisen hin auf den Ursprung, auf Besinnung, auf das ›Ruhen in sich‹.“– Ein Thema, das für Dagmar Langer von großer Bedeutung ist, dem sie sich über den Tanz und die Rhythmik von einer anderen, weiteren Seite her nähert. Es ist ein Thema, das durchaus auch in ihre Arbeiten einfließt: Das Aufsteigende, die Streckung und Aufrichtung, die Spannung ihrer Formen lässt sich nicht nur daraus ableiten, sondern ist ihren selbstbewussten, eleganten Frauen zu eigen und taucht ebenso in den archaischen Tanzfigurinen auf, die, an Aborigines-Kunst oder frühe Höhlenmalerei erinnernd, ihre körperhaften Vasenobjekte beleben, umschlingen, betanzen und damit verlebendigen. Mit Raku eng verbunden ist dennoch ursprünglich eine höchst anspruchsvolle Ästhetik natürlicher Einfachheit und Eleganz, die sich auch in den schlichten und doch wohl proportionierten Arbeiten von Dagmar Langer ablesen lässt.

Verwendet ein Künstler Raku, so setzt er das Feuer in seiner ganzen Ursprünglichkeit, mit seiner verändernden Kraft als Gestalter ganz unmittelbar ein, denn der Scherben wird im glühenden Zustand, d.h. bei 900 bis 1000 °C aus dem Ofen genommen, in Sägespänen oder Laub unter Luftabschluss zum Räuchern gebracht und anschließend in Wasser abgeschreckt und gesäubert. Daher sind Raku-Arbeiten per se Unikate, denn aufgrund dieses Entstehungs- bzw. Schaffensprozesses können keine identischen Stücke entstehen, hat jedes seinen eigenen Ausdruck in Farbe, Form und Textur. Insbesondere in der Wahl der »Reduktionsmittel« liegt ein Teil jenes Zufalls begründet, der dafür sorgt, dass modernes Raku entsteht, dessen individuelle Ausdruckskraft ein beeindruckendes Spektrum aufweist. Wobei Dagmar Langer aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung teilweise in diesen Prozess eingreifen und die Zufälligkeiten steuern kann. Wodurch sich weitere Möglichkeiten im Arbeiten mit den Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft für die Keramik eröffnen. […]
Chris Gerbing ist promovierte Kunsthistorikerin und arbeitet freiberuflich in Karlsruhe. Weitere Infos zu ihrer Person unter www.chrisgerbing.de.


ISBN 3000525424 oder Bestellung bei mir persönlich.